Für die ehemalige Hauptstadt des Mongolischen Reiches gibt es viele verschiedene Schreibweisen. Während die alten Ruinen im Deutschen meistens als Karakorum bezeichnet werden, wird die heutige Stadt Harhorin genannt. Wenn man bedenkt, dass „kh“ wie ein „ch“ in z.B. „Buch“ gesprochen wird, ist Harhorin bzw. Charchorin nicht zu weit von Khar Khorum entfernt. Und da die Mongolen das kyrillische Alphabet benutzen, ist die Diskussion eh schwierig. Jeder transkribiert das halt anders…
Auf dem Weg nach Karakorum machen wir neben den obligatorischen „Pippistopps“ auch einen „Photostopp“. Zwei junge Hirten (vielleicht acht und zehn Jahre alt) führen ihre Yak-/Schaf-/Ziegen-/Rinder-Herde an uns vorbei. Auf Anfrage von Dema separieren sie die Yaks von den restlichen Tieren, so dass wir sie besser fotografieren können. Ihr Lohn: Ritter Schokolade und Tennisbälle. Unser Preis: eine riesige Wolke großer Fliegen, die uns umschwirren und beim Einsteigen natürlich nicht außerhalb der Autos bleiben. Der nächste Teil der Fahrt ist also nicht vom Betrachten der Landschaft geprägt, sondern vom Vertreiben der Fliegen aus den Autos. Zum Glück sind es nur Fliegen und keine Mücken, so dass die Panik einiger Mitreisender bald wieder versiegt und wir alle den Zwischenfall gut überstehen (zahlreiche Fliegen ausgeschlossen).
Keine Ruinen, dafür ein Kloster
Von der 1220 von Dschingis Khan (den die Mongolen „Chinggis Khan“ schreiben, wenn sie das lateinische Alphabet verwenden) gegründeten Stadt Karakorum ist heute nicht mehr viel zu sehen. Sie wurde 1388 von den Chinesen zerstört und verfiel im Laufe der Jahrhunderte fast vollständig. Das liegt auch am benachbarten Kloster Erdene Dsuu, für dessen Erbauung Steine der alten Hauptstadt verwendet wurden.
Bevor wir das Kloster besichtigen, besuchen wir zunächst das Museum von Harhorin. Es ist nicht sonderlich groß, gibt aber einen guten Überblick über die Geschichte der Region (und der Mongolei im Gesamten), von der Steinzeit bis hin zum Großen Mongolischen Reich.
Nach dem Museumsbesuch wartet eine angenehme Überraschung auf uns. Unser „Kuckuck“ hat sein Auto wieder flott gekriegt und kann mit uns weiterfahren. Glücklicherweise werden für die Touren hier nur zwei verschiedene Fahrzeugmodelle verwendet, und eine Fahrerin einer anderen Gruppe hatte in ihrem Wagen das von Kuckuck benötigte Teil als Ersatzteil dabei. Nachdem wir die Fahrstile der beiden anderen Fahrer kennengelernt haben, sind wir froh, unseren Senior wieder zurück zu haben. Und wieder etwas mehr Platz zu haben, finden wir alle nicht verkehrt.
Wir machen einen kurzen Zwischenstopp im Camp zum Mittagessen, und werden dann direkt wieder zurück in die Stadt gebracht. Jetzt geht es ins Kloster Erdene Dsuu, dem ersten buddhistischen Kloster der Mongolei. Innerhalb der gut erhaltenen Mauern stehen mehrere Tempel, es gibt aber auch viel freie Fläche, was dem ganzen einen angenehmen Touch gibt. Dema erklärt uns sehr viel zu den verschiedenene Göttern und Schutzheiligen, zu den Bildern und Skulpturen und zum Buddhismus allgemein. Ich muss gestehen, nach zwei Stunden fällt es mir schwer, die ganzen Götter noch auseinander zu halten. Gemerkt habe ich mir jedoch den mongolischen Reitergott, den die Buddhisten extra für die Mongolen erschaffen haben. Oder, wie Dema formuliert: sie haben ihn den Mongolen „geschenkt“. Denn ein Gott ohne Pferd geht in der Mongolei ja mal gar nicht.
Es fällt mir ebenfalls schwer, die Diskussionen ums fotografieren zu verstehen. So unüblich ist das ja nun nicht, dass in gewissen Räumen nicht, oder nur gegen Gebühr fotografiert werden darf. Gerade bei zweiterem kann man ja geteilter Meinung sein, aber respektieren sollte man es trotzdem. Und nicht „heimlich“ fotografieren und dann schimpfen, wenn man beim Verlassen des Tempels zum Bezahlen aufgefordert wird. V.a. wenn man noch auf die Überwachungskameras hingewiesen wurde…
Außerhalb der Mauern von Erdene Dsuu gibt es noch ein Relikt der Mauern des alten Karakorum zu sehen, eine große steinerne Schildkröte. Obwohl es in der Mongolei keine Schildkröten gibt, sind sie hier ein Symbol für ein langes Leben. Hat im Bezug auf die Stadt allerdings nicht wirklich gut funktioniert, wenn die Basis eines Torpfeilers als einziges übrig geblieben ist.
Rund um den Tempel kann man jede Menge Souvenirs kaufen. Wir verschaffen dem hiesigen „Postamt“ den Umsatz des Tages. Das Postamt ist ein kleiner Laden mit einem uralten Verkäufer, der Postkarten und Briefmarken verkauft. Letztere hat er in einer alten Ledermappe, aller Verkäufe notiert er in Kurzschrift in einer zerfledderten Kladde.
Nächster Zwischenstopp ist der lokale Markt, bzw. die Markthalle, wo es neben Lebensmitteln jede Menge Gedöns gibt. Fun Fact: Eine Jurte ohne Einrichtung kostet etwa 1000€. Der Transport nach Deutschland würde vermutlich deutlich mehr kosten.
Im Supermarkt werden noch die Wasservorräte aufgestockt und dann steht schon der nächste Programmpunkt auf dem Plan. Einziges Hindernis: Die Seitentür von Wagen 3 geht nicht mehr auf. Also haben wir nochmal eine halbe Stunde Pause. Wir verziehen uns in den Schatten und futtern unsere im Supermarkt erstandenen Schokoladenvorräte auf.
Der nächste Programmpunkt ist der Besuch einer kleinen Filzerei. Hier stellen eine handvoll Frauen Filz her, den sie zu Teppichen, Bildern, Pantoffeln und sonstigem Kleinkram weiterverarbeiten. Das Projekt wird von Chamäleon unterstützt, denn einige der Frauen hier sind behindert und Unterstützung für Behinderte ist in der Mongolei fast nicht existent.
Nach dem Besuch der Werkstatt ist der Tag jedoch noch nicht vorbei. Zurück im Camp gibt es erstmal Abendessen (Buffet) und dann noch einen Folkloreabend. Der wird von Studenten aus Karakorum bestritten, die unter der Führung ihres Professors Pferdekopfgeige (und -bass), Harfe und Gesang präsentieren. Die Gesangsdarbietungen sind zwar sehr interessant zu hören, aber meinen Geschmack treffen sie nicht. Kehlkopfgesang ist halt nichts für jeden…
Die Instrumentalstücke waren aber klasse. Die mongolische Musik scheint generell eher fröhlich zu sein. Zum Schluss hat noch eine junge „Schlangenfrau“ ihre Künste gezeigt. Ich kann mir nicht helfen, aber diese Mädchen tun mir immer nur leid…
Obwohl anders angekündigt, kommen wir in eine ungeheizte Jurte zurück. Zum Glück gibt es Wolldecken, denn es wird ziemlich frisch in der Nacht. Dabei sind wir noch gar nicht in der Wüste…