Wir fahren weiter nach Süden, noch tiefer in die Gobi hinein. Schnell wird die Strecke hügeliger. Unsere Begleiter am Horizont: die „drei schönen Bergkämme“. Diese Ausläufer des Altai-Gebirges haben nur wenige befahrbare Pässe, so dass wir mehrere Stunden fahren müssen bis wir das Gebirge überqueren können. Wir sind noch immer alle überrascht, wie grün die Gobi ist. Aber vor allem hat niemand erwartet, dass die Wüste nach Schnittlauch riecht! Der wäscht hier tatsächlich überall.
An der höchsten Stelle des Passes bekommen wir den ersten Blick auf unser heutiges Ziel. Khongoryn Els, die „singende Düne“ ist rund 80 Km lang, 150 m hoch und 400 m breit. Inmitten der grün-grauen Felsenlandschaft wirkt der riesige Streifen weißen Sandes irgendwie skurril. Dabei ist das eigentlich das, was man in einer Wüste erwarten würde. Bevor wir die Düne erklimmen, stärken wir uns im Erdene-Gobi-Camp und machen ein paar Stunden gar nichts. Erst am Nachmittag, wieder gen Sonnenuntergang, geht es los. Tagsüber ist es für körperliche Anstrengungen einfach zu heiß. Und heute wartet definitiv eine körperliche Anstrengung auf uns! (Motto des Ausflugs: „Läuft bei mir. Rückwärts und bergab, aber läuft.“
Auch gestärkt und am kühleren Abend ist die Düne eine ordentliche Herausforderung. Drei unserer Mitreisenden geben schon beim Anblick der Route auf, zwei weitere „verlieren“ wir auf halber Strecke, wegen schmerzendem Knie bzw. Fuß. Ina und Katharina schaffen es mit zwei der anderen recht zügig nach oben. Dema und ich brauchen etwas mehr Zeit, wir „ziehen“ uns gegenseitig. Unsere Reiseleiterin macht zwar mehrere Touren im Jahr, klettert die Düne aber wohl nur einmal pro Jahr mit. Ich kann das gut nachvollziehen, ich hätte da auch nicht allzu oft Lust drauf.
Oben angekommen genießen wir die Aussicht, machen „Sieger-Selfies“ und freuen uns mit jedem weiteren Kletterer der oben ankommt. Plötzlich entdecken wir unseren 79jährigen Senior, der sich übers letzte Stück kämpft. Unter großem Jubel schafft auch er es nach oben! Beeindruckend!
Runter geht es deutlich schneller und einfacher. Einige Leute haben Plastik-Schlitten dabei, wir versuchen es zunächst mit dem Rutschen ohne Schlitten, zu Fuß geht es aber doch besser. Mit Riesenschritten und dem Sonnenuntergang im Rücken. Dieser entwickelt sich zu einem wunderbar kitschigen Naturschauspiel, das wir gut gelaunt auf dem Heimweg genießen.
Nach dem Abendessen (Eiernudeln mit Gemüse/Fleisch) werden wir von unserem Reiseveranstalter auf ein Bier/Wein eingeladen. Eigentlich wollten sie das als Sundowner an der Düne anbieten, hatten die Getränke aber im Camp vergessen. War so aber auch ganz nett…
Nach dem Bierchen geht es noch fix unter die Dusche (eine der sechs Duschen wird nicht warm… klar, welche ich erwischt habe, oder?) und dann ab ins Bett.
Nichts außer Kamele
Der nächste Tag ist Faulenzertag. Erst um zehn Uhr treffen wir uns um zu einer Familie von Kamelzüchtern zu fahren. Anders als bei der Nomadenfamilie die wir in Gurvanbulag besucht haben, sitzen wir hier nicht lange in der Jurte. Nach dem kurzen Begrüßungstee starten wir unseren einstündigen Ausritt auf ihren Kamelen. Im nachhinein kann ich sage: einmal gemacht, abgehakt, muss nicht nochmal.
Es ist etwas unbequem, aber nicht so schlimm wie ich erwartet hatte. Das auf- und absteigen hat auch ganz gut funktioniert. Aber dann in einer Reihe hintereinander her zu trotten ist auf Dauer doch etwas langweilig. V.a. weil die Landschaft hier nicht sonderlich abwechslungsreich ist. Für die Erfahrung hätte mir eine Viertelstunde gereicht, eine volle Stunde wird dann doch lang. Dass einige Kamele blutige Schnauzen hatten, von den hindurchgezogenen Stöcken zu Befestigung des Führungsseiles, hat auch nicht unbedingt zu einem besseren Gefühl verholfen.
Interessant war allerdings das Ziel des Ausritts, ein kleiner Fluss, der nahe der Düne durch die Gobi fließt. Gras, Schnittlauch, Beerensträucher am Fluss – die Wüste ist hier definitiv anders, als ich erwartet hatte.
Der Nachmittag gehört wieder dem Nichtstun. Wie an den Vortagen ist es zu warm für Aktivitäten. Im Schatten, außerhalb der Jurten (d.h. im Wind) ist es jedoch sehr angenehm. Heute gibt es auch kein Abendprogramm, abgesehen von Demas kurzem Vortrag über die Gebräuche bei Geburt, Hochzeit und Tod. Hängengeblieben ist v.a. die Namensgebung. Selten suchen die Eltern den Namen für ein Neugeborenes aus, das wird vom Schamanen oder Sippenältesten o.ä. übernommen. Und wenn in einer Familie mehrere Kinder früh gestorben waren, wurde dem nächsten Kind ein unmenschlicher Name gegeben, damit die bösen Geister es nicht als Menschen erkennen. So gibt es heute noch einige alte Mongolen die „schlechter Hund“, „Namenlos“ oder „Filzteppich“ heißen… Heute gibt es eine bunte Mischung aus tibetischen, russischen und traditionellen mongolischen Namen. In letzter Zeit laufen wohl immer mehr kleine Chinggis und Temujins rum (während Dschingis Khan und seine Nachfolger lange Zeit in der Mongolei gar nicht besonders gewürdigt worden waren).
Nach dem Vortrag machen wir es uns auf der Dachterrasse gemütlich und genießen den Sonnenuntergang. Der fast volle Mond erleuchtet wieder den Himmel, was auf dem Rückweg zur Jurte auch jegliche Taschenlampen überflüssig macht. Zum Thema Sterne und Milchstraße muss ich wohl nichts mehr sagen.
Während wir die singende Düne nicht haben singen hören als wir dort oben standen, hören wir sie jetzt vom Camp aus. Es ist allerdings weniger ein „singen“ als ein dumpfes Dröhnen, wie wenn in der Ferne ein Flugzeug startet.
Gestern und Morgen
Das war gestern (Bajandsag)
So geht’s weiter (Yolyn Am und Baga Gasrin Tschulun)